Anlässlich der anstehenden Koalitionsverhandlung und des heutigen 10-jährigen Jubiläums der Open Government Partnership ruft Open Government Netzwerk Deutschland zur Einreichung von Vorschlägen für den Koalitionsvertrag auf
Berlin, 20.09.2021. Kommenden Sonntag sind die deutschen Bürger:innen aufgerufen, den 20. Deutschen Bundestag zu wählen. Das Wahlergebnis bestimmt über die Zusammensetzung und den Kurs der nächsten Bundesregierung. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat in vielen Bereichen deutlich aufgezeigt, wo Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und deren Zusammenspiel an ihre Grenzen gestoßen sind. Es wurde deutlich wo Handlungs- und Verbesserungsbedarfe bestehen, um Transparenz, Partizipation, Rechenschaftslegung sowie soziale Digitalisierung auszubauen und das Vertrauen im Zusammenwirken zwischen Staat und Gesellschaft zu stärken.
In den Wahlprogrammen äußern sich die Parteien zu Prinzipien und Handlungsfeldern, die das Thema Open Government berühren oder beinhalten. Das The Open Government Institute (TOGI) der Zeppelin Universität, Mitglied des Open Government Netzwerk Deutschland, hat diese Passagen für die wesentlichen Parteien in den Programmen identifiziert. Für die Koalitionsverhandlungen gilt es diese groben Versprechen aus den Wahlprogrammen nun zu konkretisieren und mit “Leben zu füllen” – beispielsweise bei den Themen Informationsrechte, Offene Daten, Lobbyregister und legislativer Fußabdruck, der sozialen und souveränen Digitalisierung, dem digitalen Ehrenamt, digitaler und inklusiver Beteiligung und offene Justiz.
Das Open Government Netzwerk (OGN) ist das zivilgesellschaftliche Netzwerk aus Organisationen und Personen, das sich für Open Government in Deutschland einsetzt und zudem die Bundesregierung im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) unterstützt. Das Netzwerk ruft nun Bürger:innen bzw. Interessens- u. Bedarfsträger:innen auf, zu den Wahlversprechen konkrete Vorschläge für die Koalitionsverhandlungen einzubringen. Diese sammeln wir und tragen sie zusätzlich zu den einzelnen Interessengruppen gebündelt in die Koalitionsverhandlungen. Hierzu haben wir die Formulierungen aus den Wahlprogrammen neutralisiert und auf der Konsultationsplattform Adhocracy.Plus von Liquid Democracy, ebenso Mitglied unseres Netzwerks, zur Eingabe von Vorschlägen und Kommentierung bereitgestellt. Ein Vorgehen das vergleichbar ist mit jenem Anfang des Jahres, als wir zum Sammeln von Vorschlägen sowie zur Kommentierung der Ideenskizze der Bundesregierung bei der Entwicklung des 3. Nationalen Aktionsplans (NAP) im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) aufgerufen hatten.
10 Jahre Open Government Partnership
Deutschland nimmt seit 2016 an der Open Government Partnership teil, die im Jahre 2011 gegründet wurde und heute, den 20. September 2021, auf 10 Jahre internationale Zusammenarbeit von mittlerweile über 70 teilnehmende Nationen zurückblicken kann. Der Koalitionsvertrag ist ein idealer Anlass, dieses Jubiläum mit Taten zu würdigen.
Bestehend aus Selbstverpflichtungen der Regierungen sind die Aktionspläne Teil eines innovativen und internationalen Mechanismus der OGP – untermauert mit einem unabhängigen Berichtswesen (Independent Reporting Mechanism, IRM). Der Mechanismus unterstützt Regierungen dabei, wirkungsorientierte Maßnahmen im Bereich Open Government mit der Zivilgesellschaft co-kreativ zu entwickeln, diese mit hoher Verbindlichkeit umzusetzen und aus den Prozessen zu lernen. Neben Koalitionsverträgen sind diese Aktionspläne im Rahmen der OGP ein wirksames Instrument, Open Government entlang dessen Prinzipien zu konkretisieren und umzusetzen. Mehr zum Mechanismus..
Insbesondere mit Blick auf den kommenden – vierten – Nationalen Aktionsplan Deutschlands, dessen Entwicklung turnusgemäß voraussichtlich Anfang 2023 startet und voraussichtlich wieder bereits im Sommer 2023 durch das Bundeskabinett beschlossen wird wären möglichst konkrete Maßnahmen im Koalitionsvertrag der neuen Legislaturperiode eine wichtige und weitsichtige Grundlage und Vorbereitung für einen NAP, der der Rolle Deutschlands angemessenen ist.
Deutschland trägt in der Open Government Partnership eine besondere Verantwortung
Seit 2019 hat die Bundesregierung zudem einen Sitz im OGP-Lenkungsausschuss inne. Hieraus und aus der allgemeinen internationalen Stellung Deutschlands erwächst für die kommende Legislaturperiode die Verantwortung, dieser Rolle gerecht zu werden und diese vorbildlich auszubauen.
Als stark und selbstbewusst föderal verfasste Nation hat Deutschland zudem die Chance, anderen föderalen Nationen ein Vorbild zu sein, wie trotz dieser subsidiären Strukturen Open Government über alle Ebenen gelebt werden kann. Bürger:innen müssen sich auf dem gesamten Territorium Deutschlands darauf verlassen können, Mindeststandards zu den vier Werten der Open Government Partnership – Zugang zu Informationen, Partizipation, Rechenschaftslegung sowie Technologie und Innovation für Offenheit und Rechenschaftspflicht – an allen Orten vorzufinden. “Sonst stellt sich gegenüber den Bürger:innen in Deutschland aber auch gegenüber der Familie der OGP-Länder die Frage ‘wieviel Open Government ist in Deutschland drin, wenn Deutschland drauf steht’”, so Oliver Rack, Mitglied der Strategiegruppe des Open Government Netzwerk Deutschland. Auch hier ist die kommende Bundesregierung gefordert, alles zu tun, um Open Government über die föderalen Ebenen hinweg zu bewerben, zu begünstigen und dahingehend Kapazitäten auszubauen.
Mehr Ressourcen für Zivilgesellschaft und Verwaltung für Co-Creation, Open Data und digitales Ehrenamt
Die Digitalisierung sowie Wissens- und Kommunikationsplattformen bieten neue Möglichkeiten wie Regierungen und Zivilgesellschaft inkorporieren, um gemeinsam und transparent Lösungen für die vielen Herausforderungen zu erarbeiten und gegenseitiges Vertrauen zu stärken. Es entstehen zunehmend “Digitale Zwillinge” unseres Lebens, in denen sich gemeinsam offene Daten, Modelle, Simulationen, Aushandlungen und Planungen organisieren lassen und sich die Kulturtechnik Open Government praktizieren lässt. Hierbei hat das (digitale) Ehrenamt eine tragende Rolle. Das schafft auch Chancen, Kompetenzen viel breiter einzubinden. Es bringt aber auch mit sich, dass Zivilgesellschaft und Regierungen in größeren Detailtiefen und Komplexitäten zusammenarbeiten und somit wachsende Aufwände für Mitarbeiter:innen staatlicher Institutionen aber vor allem für zivilgesellschaftliche Akteur:innen entstehen. Ähnlich wie in großen Teilen der Kulturproduktion ist das Engagement für das Gemeinwesen bei Open Government Potenzial und Notwendigkeit unserer gesellschaftlichen Perspektivenvielfalt und taugt selten für Geschäftsmodelle – eine soziale Innovation, die auf Förderung von Kapazitäten angewiesen ist. Dies muss dringend stärker ins Bewusstsein und sich im Koalitionsvertrag sowie in Förderlogiken und -kulissen widerspiegeln.
Ein kleine Chronik zu Open Government und zur Open Government Partnership findet sich hier:
1 Kommentar
[…] Am vergangenen Montag konnte die Open Government Partnership ihr 10-jähriges Bestehen feiern [1]. Am morgigen Sonntag ist Bundestagswahl. Mehr als Anlass genug für unser Open Government Netzwerk, für mehr Beteiligung, für mehr Co-Creation, für eine bessere Förderung des digitalen Ehrenamts, ganz allgemein: für mehr Offenheit im Regierungs- und Verwaltungshandeln zu werben und zu Vorschlägen für den anstehenden Koalitionsvertrag aufzurufen [2]: Open Government für Deutschland im Koalitionsvertrag stärken […]