Open Government im Jahr 2015 – Digitalisierung gestalten oder Konsequenzen verwalten?

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Gilt leider noch nicht für deutsches Regierungs- und Verwaltungshandeln (Foto: CC-BY Christian Heise)

Die Bundesregierung muss sich zwischen der Gestaltung der Digitalisierung und der reinen Verwaltung der Konsequenzen entscheiden. Ein Beitrag von Sebastian Haselbeck und Christian Heise.

Im September 2011 schlossen sich acht internationale Regierungen, angeführt von Brasilien und den USA, zur Open Government Partnership (OGP) zusammen, einer internationalen Initiative für mehr Transparenz, Verantwortlichkeit und Bürgerbeteiligung in Politik und Verwaltung. Seither ist die Initiative auf über 65 Länder angewachsen, weitere sind im Prozess beizutreten. Die Mitgliedsländer verpflichten sich dazu, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft nationale Aktionspläne für besseres und transparenteres Regierungshandeln zu entwickeln, und den Fortschritt bei der Umsetzung sowohl selbst relmäßig zu prüfen, als auch unabhängig von der Zivilgesellschaft prüfen zu lassen. Unterstützt durch ein zentrales Sekretariat arbeitet die OGP kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Organisations- und Kommunikationsarbeit, unterstützt die Teilnehmer in den Mitgliedsländern beim sogenannten Capacity-Building und wertet zentral die Fortschritte in den teilnehmenden Staaten in vergleichender Perspektive aus. Damit ist die OGP ein Bündnis zur Stärkung offenen Regierungshandelns durch Verpflichtungen auf den höchsten politischen Ebenen. Der internationale fachliche Austausch und die Diskussion der Fortschritte wirken dabei anspornend, ähnlich wie zum Beispiel bei einem Zusammenschluss von Menschen, die ihre Ernährungsgewohnheiten zugunsten gesunder Lebensmittel umgestellt haben und sich regelmäßig treffen um Erfahrungen auszutauschen und Fortschritte zu festigen.

Bis dato ist die Bundesrepublik Deutschland weder Mitglied der OGP noch offiziell Beitrittskandidat. Zwar steht im Koalitionsvertrag, dass ein Beitritt „angestrebt“ sei, jedoch ist aktuell kein Signal aus Regierungskreisen zu vernehmen, dass man sich der OGP anschließen will. Im Gegenteil, beim anstehenden G7 Summit, würde man das Thema politische Offenheit und Transparenz am Liebsten gänzlich auslassen. Zwar belegen repräsentative Umfragen den hohen Stellenwert der OGP-Ziele in der Bevölkerung, und zudem interessiert man sich international sehr für das Vorgehen Deutschlands im Bereich der Reformierung des öffentlichen Sektors und dem Spannungsfeld Offenheit und Datenschutz, doch die Bundesregierung selbst zögert und verweist auf die europäische Ebene.

Dennoch gibt es vereinzelt Vorstöße, unter anderem im Bereich Open Data (wo die BRD auch eine G8 Charta unterzeichnet hat, aber bisher weit abgeschlagen hinter den anderen Unterzeichnerländern verhaart) oder eGovermment (mittlerweile gibt es ein eGov- und ein eJustice Gesetz, sowie entsprechende Regierungsprogramme). Im Kontext der breit angelegten aber wenig spezifischen „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung taucht eine Verpflichtung zu mehr Offenheit, Dialog und Transparenz zum Beispiel im Rahmen der OGP bisweinicht auf. Positiv muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass in Deutschland nicht komplett untätig ist, so sind das kürzlich gestartete Public Community Partnership und die gelaunchte Beteiligungsplattform zum Open Data Aktionsplan erste positive Schritte die bereits im Rahmen des deutschen Aktionsplans umgesetzt werden. Dabei fehlt es aber weiterhin an hohem politischem Willen und vor allem an Ressourcen in der Verwaltung – diese wäre für die Umsetzung zuständig – für das Thema.

Der Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland (AK OGP DE) und seine zivilgesellschaftlichen Mitglieder setzen sich seit einigen Jahren aktiv dafür ein, dass die Bundesregierung hier endlich einlenkt und den Ankündigungen für ein offenes Regierungshandeln und dem Dialog mit der Zivilgesellschaft Taten folgen lässt. Dass tut der AK OGP DE auf Basis der Überzeugung, dass nur eine politische Führungentscheidung zu substantiellen Fortschritten führen wird. Jahre der Pilotprojekte und Insellösungen sind nicht das politische Fortschrittssignal dass man von einem Land wie Deutschland erwartet, weder als Bürger, noch als internationaler Partner. Ein ja zum OGP Beitritt würde signalisieren, dass es die Bundesregierung, und damit das wirtschaftsstärkste Land Europas, ernst meint mit Transparenz, Bürgerbeteiltigung und Rechenschaftspflicht, mit Stärkung der repräsentativen Demokratie, mit Bekämpfung von Korruption, mit Reformen im öffentlichen Sektor, mit digitaler Innovationspolitik vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Digitalisierung (z.B. beim Datenschutz). Statt dessen wird das Thema bislang konsequent ignoriert und mit mangelndem Commitment und der anderweitigen Verwendung von Ressourcen auf die lange Bank geschoben.

Dennoch kann das bisherige Versäumnis, die Zivilgesellschaft und andere gesellschaftliche Gruppen (sowie die Länder) konsequent in den Erstellungsprozess der deutschen Digitalpolitik einzubeziehen, auch als Chance für die Zukunft gesehen werden. So könnte die Bundesregierung mit einem baldigen Beitritt zur OGP und dem damit verbundenen strukturierten Dialogprozess zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat, das verspielte Vertrauen der Zivilgesellschaft zurückgewinnen. Die Bundesregierung hat in der Digitalen Agenda den Anspruch definiert, “Multi-Stakeholder-Prozessen eine besondere Bedeutung zu kommen zu lassen, in denen Akteure aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und Zivilgesellschaft im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortlichkeiten transparent zusammenwirken”. Diesen Zielen müssen nun Taten folgen! Weiterhin gilt es für die Bundesregierung dafür zu sorgen, dass der “Wandel in der Mitte der Gesellschaft verankert (…) angenommen und aktiv mitgestaltet wird”. Hierzu muss endlich der Beitrittsprozess zur OGP gestartet werden. Findet ein Beitritt nicht bald statt, gibt es kaum mehr Möglichkeiten, die Interessen Deutschlands angemessen zu vertreten, die Digitalisierung mit zu gestalten und den Öffnungsprozess aus deutscher Perspektive zu treiben.

Wir sind an einem Punkt angekommen an dem sich die Bundesregierung zwischen der Gestaltung der Digitalisierung und der reinen Verwaltung der Konsequenzen entscheiden muss. Eins ist sicher, entscheidet sie sich für den zweiten Weg, verschläft Deutschland die digitale Revolution, stattdessen gilt es Potentiale zu nutzen und die Digitalisierung aktiv zu gestalten.

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